Moviable Foret de Lourdes

„Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“ (Rainer Maria Rilke aus dem Brief an Franz Xaver Kappus, 1903)

Das Ungelöste in unseren Herzen, es treibt uns umher, macht uns so unruhig und wir haben das Gefühl, wir brauchen eine Lösung, eine Antwort! Und zwar hier und jetzt und sofort. Sonst platzen wir – oder so etwas. Die Unsicherheit des Nichtwissens ist schier unerträglich. Wird es klappen oder werden wir scheitern? Werden wir verletzt oder geliebt? Was soll ich bloß tun? Was mache ich jetzt?

Und dann? Wir machen uns auf die Suche nach jemandem, der uns diese Antwort gibt. Den finden wir auch. Es gibt viele, die uns ihre Antworten und Lösungen präsentieren. Menschen, Bücher, Ratgeber, Lehrer. Aber ist ihre Lösung auch unsere Lösung? Ihre Antwort auch unsere Antwort? Oft nicht!Moviable Durchatmen

Entspannen wir uns. Mal tief durchatmen und weiterleben. Was wir brauchen, ist Mut und Gelassenheit, eine Unsicherheit bestehen zu lassen, sie wohlmöglich sogar zu begrüßen oder gar zu preisen, weil sie uns in ein neues Gebiet führen kann. Vielleicht sogar die „bekannte Hölle“ wirklich einmal gegen den unbekannten Himmel auszutauschen.


Freue Dich, denn Gott hat dich so in der Hand, dass du dich in keiner Weise auf die eigen Sicherheit zu stützen brauchst. Hildegard von Bingen


SAMSUNGWas bedeutet dies für uns? Wir stellen uns in Frage, unsere Wahrnehmungen und Vorstellungen, wie etwas zu sein hat. Wir stellen uns in die Frage, bis wir die Antwort erfahren. Auf einer Pilgerreise habe ich in Porto einmal in einem Gebet folgenden Vorschlag erhalten:

Lass dein Leben sich entfalten! Versuche nicht immer zu ergründen und zu wissen, was passiert, das ist für dich nicht kontrollierbar und es ist dir auch schlicht nicht möglich. Andere spielen in dem Spiel auch eine Rolle und das kannst Du nicht provo­zie­ren, nicht beschleunigen, nicht verlangsamen und nicht verhindern, es passiert einfach, jeder macht seine eigenen Züge. Lass das Leben sich entfalten und lebe es Tag für Tag und kläre jeden Tag genau das, was du jeden Tag klären musst, mehr nicht.“

Das heißt auch: die Kontrolle aufzugeben, uns einfach dem Tag und dem Leben hinzugeben. Entscheidungen sich entwickeln lassen, so lange, bis wir es wissen. Verletzlich zu sein, offen zu sein, ein hörendes Herz zu haben. Nicht der zu sein, der weiß, wo es langgeht, sondern der, der Dem folgt, der uns allmählich zur Lösung führt. Wir lernen Tag für Tag, Lektion für Lektion. Puzzlestein fügt sich an Puzzlestein, bis sich ein Bild entwickelt. Wir laufen Etappe für Etappe, bis der Weg am Ziel ankommt und bekommen unterwegs all die Informationen geschenkt, sammeln sie ein, die zu unserer persönlichen Lösung gehören.Moviable Trittsteine

Vertrauen wir dem Weg, vertrauen wir, dass die Steine, die im Weg liegen, Trittsteine zu Antwort sind. Dass die Menschen, denen wir begegnen, unsere Boten sind. Das ist für mich Psychotherapie: einen Menschen zu begleiten, seinen eigenen Weg zu finden, ihn darin zu bestärken, sich selbst zu trauen und sich einzulassen. Einfach bei ihm zu sitzen, während er sich fühlt, sich auf sich selbst einlässt und neu orientiert, auch dunkle Orte in sich aufsucht. Freiraum bieten, zuhören, hinterfragen, spiegeln. Mut zum Aufbruch, zum Suchen und Finden zu machen, den Rücken zu stärken. Ihm zu vermitteln, vollkommen zu sein im Unvollkommenen: „Du bist ein Wunderwerk Gottes!“ Zu vertrauen, stets am rechten Ort und zur rechten Zeit zu sein, dort, wo sich der nächste Hinweis befindet. Nicht perfekt, aber bereit, auf dem Weg voranzugehen. Auch: Sich nicht zu überfordern, sondern die Etappenlänge den eigenen Kräften anzupassen.

Auf dem Weg haben wir manchmal Blasen an den Füßen, sind verschwitzt, staubig, hungrig, durstig, müde. Ja, das gehört dazu. Ebenso wie begeistert, erhoben, im Licht zu sein, von Schönheit und liebevollen Menschen umgeben. Zwei Seiten einer Medaille, das Eine nicht ohne das Andere, kein Licht ohne Schatten. Und manchmal ist unterwegs auch der Schatten hochwillkommen.20140627_085956

Lassen wir uns nicht von Unsicherheit und Ungewissheit blockieren, sie sind unsere Freunde, sie sind die Chance, Vertrauen zu wagen und zu lernen, sich in neue Räume vorzuwagen, diese neuen Räume uns zu erobern und zu erschließen oder wie bei Rilke: aufzuschließen. Wenn wir zulassen, auch mal das Blatt im Wind zu sein, dann kann Gott uns dorthin „pusten“, wo unser persönliches „Gelobte Land“ sich befindet, Ihre Antwort auf das Leben, Ihre (Er-)Lösung.

„Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“ (Sören Kierkegaard). Werfen wir unser Vertrauen nach vorn. Leben wir! Lassen wir unser Leben sich entfalten! Das Versprechen dazu ist: „Und ich versichere euch: Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit. (MT 28,20)“


Aber Du weisst den Weg für mich-003Morgengebet von Dietrich Bonhoeffer:

Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages.
Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu dir; ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht;
ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht;
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe;
ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede;
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld;
ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.

Vater im Himmel, Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht,
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag.
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen, laß mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auflegen, als ich tragen kann.
Du läßt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.
Herr, was dieser Tag auch bringt, dein Name sei gelobt!
Amen.


 

 

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