Zum Abschluss meiner Pilgertour auf der Via Francigena in Italien habe ich zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit drei Tage in Rom verbracht. Die 7-Kirchen-Wallfahrt und dabei das Besuchen der Heiligen Pforten Roms war mir ein Herzenswunsch. Ganz besonders im Gedächtnis blieben mir die Worte und das Geschehen rund um: „Quo vadis?“, zu Deutsch: Wohin gehst Du, Herr? Diese Frage stammt aus den apokryphen Petrusakten, die auch in dem Hollywood Film „Quo vadis?“ verarbeitet wurden. Bisher habe ich leider nur fremdsprachige Versionen dieses Ausschnitts gefunden. Doch eine Übersetzung ist ja möglich.
Hier die Übersetzung: Petrus flieht auf Anraten anderer aus Rom und fühlt sich aber unwohl dabei. Er sagt zu seinem jungen Begleiter: „Mein Geist ist so schwer wie mein Körper. Irgendwas fühlt sich so falsch an. Mit unseren Leuten vielleicht. Ich brauche so den Rat unseres Herrn. Wenn er nur mit mir sprechen würde!“ Dann bemerkt er eine Veränderung: „Diese plötzliche Helligkeit, die da kommt, kannst du sie sehen? Das ist das Licht des Herrn, ich habe es schon mal gesehen. Jesus Christus, Du bist hier! Was läuft hier falsch, Herr? Was sollte ich tun? Ich bin echt fertig. Wie kann ich die jetzt nachfolgen? Wohin gehst Du, Herr?“
Jesus antwortet ihm: „Meine Leute in Rom brauchen Dich. Wenn Du sie verlässt, werde ich nach Rom gehen, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen.“
Daraufhin sagt Petrus: „Er hat wieder zu mir gesprochen, komm, wir gehen nach Rom!“ Petrus kehrt also um, geht nach Rom zurück und lässt zu, dass er gekreuzigt wird. Er lässt sich kopfüber kreuzigen, weil er sich nicht wert ist, genauso gekreuzigt zu werden wie Jesus Christus. Trotz Kreuzigung ist er voll des Lobes für Gott und nimmt sein Schicksal Gott preisend an. Wir wissen ja nicht, ob dies nun so oder anders passiert ist. In Johannes 13,36 kündigt Jesus etwas vergleichbares jedoch an, als Petrus ihn das erste Mal „Quo vadis?“ fragt: „Simon Petrus sagte zu ihm: „Herr, wohin willst du gehen“? Jesus antwortete: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen.““
Soviel erstmal zur Geschichte des Ortes. In St. Sebastiano fuore le mura findet man gegenüber einer wundervollen Marmor-Skulptur des pfeildurchbohrten Sebastians die Fußabdrücke Jesu, deren Kopie sich ebenfalls in der kleinen Kirche Santa Maria in Palmis befindet, wo diese Begegnung stattgefunden haben soll. Auf der 7-Kirchenwallfahrt ist der Abschnitt auf der Via Appia zwischen San Sebastiano fuore le mura und der kleinen Quo-Vadis-Kirche wirklich der schönste und erfreulichste Abschnitt. In einem großen Park, in dem man auch die Domitilla-Katakomben besichtigen kann, läuft man durch Olivenhaine und Zypressenalleen, ein stiller, inspirierender Ort zur Besinnung und in der Regel für die Mittagspause. Unterwegs sieht man, ähnlich wie bei einem Kreuzweg, Stelen mit Szenen der Auferstehung. Das Herz kann sich öffnen, Hoffnung keimt auf, ja auch unsere „Auferstehung“ erscheint möglich…
Mir war diese Wallfahrt zu diesem Zeitpunkt sehr wichtig: Ich war mit vielen Themen nach Italien gekommen, hatte unterwegs schon viel gelöst, einiges war noch offen. Auf meinem Weg kehrte ich also in diese kleine Kirche ein, setzte mich in die Kühle und versetzte mich in die Geschichte hinein. Wie oft haben wir denn nicht selbst das Gefühl, Jesus genau um das dringend bitten zu wollen:
„Mein Geist ist so schwer wie mein Körper.
Irgendwas fühlt sich so falsch an.
Ich brauche so den Rat unseres Herrn.
Wenn er nur mit mir sprechen würde!“
Und so betete ich an diesem Ort, in diesem Kirchlein ebenfalls zu Jesus: „Quo vadis, Domine, wohin gehst Du in meinem Leben?“ Das ist die zusammengefasste Frage für all unser:
- Was habe ich denn nun nicht richtig verstanden?
- Warum habe ich so viele Zweifel? Warum bin ich so blockiert?
- Warum geht es nicht vorwärts?
- Warum fühle ich mich schlecht und weiß nicht, wie ich es beheben soll?
- Welche Notwendigkeit versuche ich zu vermeiden?
- Welchem Weg will ich ausweichen oder ihn nicht zuende gehen?
- Was um Himmels willen ist denn nun Gottes Wille?
Ich habe eine kurze persönliche Antwort für mich behalten, die mir viel erklärt hat, mir viel Mut gemacht hat und mich neu motiviert hat – „mein Kreuz auf mich zu nehmen“ und in Gewissheit dorthin voranzuschreiten. Daher möchte ich Sie heute einladen, in Zeiten von Zweifel, Schwierigkeiten, Sackgassen und Krankheit es auch mal mit diesem Gebet zu versuchen. Nehmen Sie sich frei, suchen Sie sich einen ruhigen Ort auf, vielleicht einen, bei dem Sie sich tatsächlich unterwegs befinden, zu dem Sie vielleicht hinpilgern, und entspannen Sie erstmal. Oder Sie kommen zu mir in die Praxis und ich begleite Sie bei Ihrem Quo-Vadis-Moment (und dem anschließenden Umsetzen auch der obigen Fragen). Und dann öffnen Sie Ihr Herz und lassen Ihre Hilfebedürftigkeit mit Intensität in ihren eigenen Worten heraus – wie einen Psalm. Das könnte vielleicht so klingen:
„Lieber Jesus, mir geht es im Moment echt nicht gut. Ich brauche Deinen Rat so dringend, bitte sprich doch mit mir. Wo geht es jetzt lang? Was soll ich jetzt nur tun? Wo ist vorne? Wohin gehst Du, lieber Herr, in meinem Leben?“
Erwarten Sie nicht unbedingt eine Lichterscheinung oder etwas so außergewöhnliches wie im Film (es geht ja auch nicht immer um die eigene Kreuzigung), vielleicht wird er auch keine Fußabdrücke hinterlassen. Es kann auch eine kleine Idee, ein Bild sein, was plötzlich in ihnen auftaucht. Eine leise Stimme, die in ihrem Herzen ein paar Worte spricht. Ein Lied, das Sie plötzlich in sich hören. Es mag auch nicht unbedingt das sein, was Sie hören wollen. Und wenn nichts kommt? Dann warten Sie ab, es wird gewiss etwas kommen: in den Tagen darauf können Menschen, Informationen, Eindrücke bei Ihnen auftauchen. Vielleicht erhalten Sie die Antwort auch in einem Traum oder jemand drückt Ihnen ein Buch in die Hand. Eventuell ärgern Sie sich auch über jemanden und verstehen plötzlich anhand Ihres Ärgers, was es denn nun ist. Ich bin sicher, Jesus weiß schon, in welcher Form Sie die Antwort am besten verarbeiten können. Und gehen Sie dann mal davon aus, dass anschließend der Strom nicht abreißen wird an Anregungen. Sie haben drum gebeten – sie kriegen’s auch! Hilfreich ist es, wenn Sie in der Folgezeit Jesus einfach Raum geben, in dem Sie Zeiten schaffen, in denen Ihr Geist ruhig ist und Sie sich auf Stille einlassen. Das funktioniert nach meiner Erfahrung sehr gut.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein Bild von der wundervollen Antica Via Appia schenken: zur Anregung und Erinnerung, sich auf den Weg zu machen zu Ihrem persönlichen „Quo vadis, Domine?“-Gebet. Jetzt. Bald. Wenn Sie feststecken. Oder wenn es Ihnen mal (wieder) so wie Petrus geht. Oder Sie rufen an und ich gehe mit Ihnen.